Wir sind unserer Überlegenheit ausgeliefert, unserem Streben nach der besten Lösung. Wir sind uns sicher, dass der Weg niemals das Ziel sein kann, wenn das Ziel vorher nicht diskutiert, analysiert, wirklich alle Alternativen erwogen und zumindest die ungefähre Richtung nicht qua Amtes demokratisch verifiziert werden konnte. Wir sehen kühlen Verstandes aller Welt dabei zu, die Flammen vorauseilend zu ersticken, während unser Verständnis von Recht und Freiheit die Glutnester immer wieder schürt.
Natürlich soll alles bedacht werden: wer kommt zuerst, wer ist zu schwach, um sich gegen den Lauf der Natur zu behaupten? Wem müssen wir die schützende desinfizierte Hand zuerst reichen, um den Unmut der eingesperrten Mehrheit im Zaum halten zu können?
Aber der Schutz der Halbschwachen wir hinfällig im Gedränge der Halbstarken, sobald das Bollwerk der Vernunft am Drang nach eigener Freiheit zerbricht. Wenn die Priorisierung durch Beharrlichkeit und Willensstärke bestimmt wird. Durch die Bereitschaft, das Leben namenloser zu opfern für ein Gefühl von Sicherheit.
Am Ende der Solidarität haben die Starken bestenfalls noch Mitleid mit den Geduldigen, und belächeln die Naivität der priorisierten Nichtgeimpften fast so sehr wie die Schwäche der Weisungsbefugten, die im Gedränge der Wahlzeiten ihre Stellung kaum zu verteidigen wissen. Feiges Pack – beide Seiten! Der wankelnde Hüter einer politischen Stellung – und der drängelnde Egoist im Impf-Chaos.
Jede Impfung, die nach der Aufhebung der Impf-Priorisierung unbedacht verabreicht wird, gefährdet drei Seelen: die des Dränglers, die des Arztes – und die des unnötig an COVID-19 Verstorbenen. So sieht es aus, das Ende der Solidarität im Land der Dichter und Lenker. Wir sind unserer Überlegenheit ausgeliefert. Der Kampf hat begonnen.